Foto-Tipp: Umkreise dein Motiv und verändere die Perspektive!
Ihr kennt das sicher von den Foto-Hot-Spots: das klassische Foto, zigfach bereits fotografiert, aber klar, wenn man dann selbst dort steht macht man es auch. Einfach weil es wunderhübsch ist, die Bildkomposition perfekt wirkt, und es sich schlichtweg anbietet. Alles klar, da geht es uns wohl allen gleich, egal ob mit Systemkamera, Kompaktkamera oder mit dem Smartphone.
Es aber dabei zu belassen, quasi das Hakerl in einer imaginären Liste der zu fotografierenden Objekte zu setzen, das wäre sehr, sehr schade. Denn jetzt geht das Abenteurer doch erst los!
Unsere Wachau-Wanderung bei Rossatz bringt uns zur Keramik-Eidechse, die exakt gegenüber von Dürnstein Richtung Donau blickt. Zwei Motive, die wir kombinieren , aber auch einzeln in den Fokus unserer Bildkomposition nehmen können.
Alles auf einem Foto untergebracht…
Variante 1: die Eidechse blickt Richtung Dürnstein, das wir in der Ferne sehen. „Klein“ sehen, das sollte ergänzt werden. Was sehen wir wirklich? Viel recht unattraktives Gras, eine dominante Steinmauer, auf der eine eher schmächtig wirkende Echse ruht.
Wir wollten „alles drauf“ haben und verlieren dabei gänzlich die Bildkomposition aus dem Auge. Das Haupt der Eidechse hebt sich nur wenig vom Himmel ab und die gesamte Form geht fast verloren – wüssten wir nicht, dass es eine Eidechse ist, würden wir sie nicht auf den ersten Blick als solche erkennen. Dürnstein selbst geht absolut unter, mit Mühe finde ich den blauen prägnanten Turm der Stiftskirche.
Fazit: so nicht 😉
Perspektive macht das Foto spannend
Variante 2: wir entscheiden uns für die Eidechse und eine spannende Perspektive. Die Wachau spüren wir mit der Donau, die sich im Hintergrund ins Bild schlängelt, die Eidechse blickt auf sie – Dramatik bekommt sie durch die Sonnenstrahlen, die auf ihren Rücken strahlen. Automatisch folgt unser Auge dem Ausblick der Eidechse. Ihre Farbe hebt sich vom grauen Stein ab, das Material der Glasur ist perfekt erkennbar.
Allerdings verlieren wir viel von der Wachau, Dürnstein gesamt
Fazit: ein interessantes Zusatzfoto und ein gelungener Perspektivenwechsel.
Ausschnitt verändern – spannender Blickwinkel
Variante 3: hinter der Eidechse – wir sehen, was sie sieht. Das obere Foto zeigt die Aufnahme, wie sie gemacht wurde, unten im Ausschnitt verändert. Für mich als langjährige Film-Fotografin ist ja die Möglichkeit des Bearbeiten, des Zurechtschneiden und Linien-Geraderichten klar, aber im aktiven Fotografieren vergesse ich gerne mal darauf und schneide die Fotos schon zu eng. Wo ich von Gerald dann prompt daran erinnert werde, dass ich nicht mehr einen Film in der Kamera habe…
Wichtig ist es, einen Rand zu lassen, wo dann – gerade bei Gebäuden mit vertikalen Linien – das Bild noch gedreht, aufgerichtet oder eben zugeschnitten werden kann.
Hier haben wir zwar keine Probleme mit Linien oder dgl., aber wir können in der Bearbeitung das Geschehen mehr in den Fokus rücken. Im unteren Bild werden sowohl Eidechse als auch Dürnstein wesentlich präsenter. Und das unattraktive Gras bekommt einen viel geringeren Bildanteil.
Fazit: ein spannender Blickwinkel, an dem wir „herumfeilen“ können! Unsere beiden Schwerpunkte sind im Bild vereint und liegen jeweils im Drittel-Schnitt sowohl im Quer- als auch Hochbereich.
Ein Motiv im Zentrum des Fotos, Goldener Schnitt beachten!
Variante 4: Eidechse? Wer braucht die Eidechse. Nein, Spaß, wir lieben die Eidechse und schätzen das Spiel mit Eidechse und Dürnstein. Allerdings muss sie nicht auf jedem Foto zu sehen sein – und so entscheiden wir uns für diese Abwechslung mit Dürnstein als Single-Player. Der markante Turm liegt an der Schnittstelle der Dreiteilung von Quer- und Hochlinien, der Goldene Schnitt ist für die Bildkomposition von Gemälde wie Fotos gleichermaßen spannend (und darf natürlich wie alle Regeln auch bewusst mal gebrochen werden – doch dazu in einem eigenen Post 😉
Goldener Schnitt, Weg ins Foto und Harmonie
Variante 5: Kopf der Eidechse und Stift Dürnstein liegen auf einer Linie recht genau im Goldenen Schnitt der waagrechten Linien. Der Schwanz der Eidechse führt uns eines Weges gleich ins Bild, die Linie endet im Kopf und geht über die Gebäude von Dürnstein Richtung Stift weiter. Unser Auge wird so zu den Kernthemen des Bildes geführt. Auch hier könnten wir noch mehr ins Bild schneiden – müssten jedoch aufpassen, dass der Schwanz der Eidechse oder aber der Stiftsturm nicht zu sehr an den Rand gedrängt werden, wenn wir das Format halten wollen. Daher bewusst nicht weiter geschnitten.
Fazit: eine stimmige Gesamtkomposition mit unseren Schwerpunkten, Goldener Schnitt, Weg ins Foto
Details – ein Motiv in den Fokus rücken
Variante 6: Klar, die Eidechse verdient sich ein eigenes Foto. Von unten zeigt sie noch räumlicher und durch den Fokus auf dem Gesicht nehmen wir ihre Mimik samt Zungerl und ihren leicht nach oben gezogenen Mund deutlich wahr. Sie thront nun richtig auf ihrem Felsen, an den sie sich anschmiegt. Hier könnt ihr spielen mit der Drehung eures Blickwinkels – was verändert sich, wenn ich sie mehr von vorne betrachte, verliere ich schon das Auge? Tiefer lässt das Auge oben die Biegung in Blau verlieren, höher könnt noch spannend sein.
Variante 7,8 ….. ja, es gibt sie noch, die vielen Möglichkeiten, die euch dieses Motiv bietet. Für uns ist jetzt Schluss, der Regen kommt und wir gehen hurtig weiter. Schaut gar nicht danach aus, oder? Ja, die Wolken sind hinter uns über dem Dunkelsteinerwald – Glück gehabt, so zeigt sich uns ein blauer Himmel. Und den brauchen wir als Kontrast zum vielen Braun im Winter dringend, damit das Motiv nicht „absumpft“, was meint, es wird ein Farbengatsch (dt. Farbenmatsch), also viele Farben in ähnlichen Farbtönen, wo wenig Kontrast und Spannung herrscht. Mag für manche Motive ein Segen sein, hier aber würde es nicht passen.
Und nun: Kamera oder Smartphone schnappen und hinaus mit euch! Die kleine Foto-Abenteuer warten direkt vor der Haustür auf uns und bringen Spaß, gute Laune und Abwechslung ins Leben! Zeigt uns eure Experimente, eure Ideen – wir freuen uns darauf!