Was für eine stimmungsvolle neue Attraktion in St. Pölten! Das Glockenspiel im Turm vom Rathaus spielt mit seinen 48 Glocken "alle Stückln" und deckt den Umfang von vier Oktaven ab. Jedes Musikstück von klassisch bis modern, das innerhalb dieser musikalischen Bandbreite liegt, kann am Rathausplatz erklingen!
Die kleinen Glocken erzeugen helle, hohe und die großen die tiefen Töne. Dreimal am Tag erklingen sie. Um 9:30 mit dem Menuett "kleine Serenade" von Joseph Haydn, um 12:30 mit dem "Auszug-M" von Müller und um 17:30 die Cavantine aus "Alphonso und Estrella" von Franz Schubert. Bei jeder Geburt gibt es eine Willkommensmelodie, die bei Zwillingen zweimal erklingen wird!
Damit Musikstücke durch Glocken gespielt wunderbar klingen, bedarf es der Überarbeitung durch einen Profi. Schließlich klingen einzelne Glockenschläge doch ganz anders als würde ein Stück von einem Orchester gespielt werden. Mag. Johann Simon Kreuzpointer bearbeitet die Melodien und hat für 2023 noch einiges vor. Ein Zyklus mit besonderen Schwerpunkten soll entstehen.
Glocken vom Traditionsunternehmen Grassmayer
Seit Jahrhunderten ist das Traditionsunternehmen Grassmayr aus Innsbruck in der Herstellung von Glocken federführend. Laut schriftlichen Aufzeichnungen verließen seit 1780 rund 6.000 Glocken das Werk. Das Unternehmen selbst gibt es seit 1550. Die bisher schwerste Glocke wurde für Bukarest mit 22 Tonnen gegossen. Die älteste heute noch klingende stammt aus 1636. In über 100 Ländern auf allen Kontinenten läuten Glocken der Firma Grassmayer.
Richtige Temperatur, perfektes Handling. Ja, beim Guss kann viel schief gehen! Zuerst werden nach alter Handwerkskunst die Formen aus Lehm modelliert und dann gegossen. Die Temperatur muss passen, höher für die kleinen Glocken als für die großen. Das Rohmaterial aus Bronze wird dabei fast auf 1200 Grad erhitzt, bevor es in die Formen kommt. Das Mischverhältnis beträgt 80 Prozent Kupfer und 20 Prozent Zinn. Dann kühlt alles langsam ab. Ein Vorgang, der bei den größten Glocken bis zu einer Woche dauern kann!
Idee vom Bürgermeister, Unterstützung durch die Plattform St. Pölten
Die Lagerzeit ist entscheidend für die Dichte des Materials und in weiterer Folge für die Belastbarkeit und Lebensdauer. Erst dann geht es ans Verzieren. Nun folgen Logos, Texte und sonstige Motive. Die Plattform St. Pölten, ein Zusammenschluss von Wirtschafttreibenden der Landeshauptstadt Niederösterreichs mit dem Ziel die Vision St. Pölten zu stärken, brachte die "Glocken an den Mann". Firmen oder Privatpersonen konnten als Paten die Glocken finanzieren. Diese waren bald gefunden und so prangen heute Namen und Logos der Paten auf den Glocken. Die geniale Idee zu den Glocken stammt vom Bürgermeister Matthias Stadler selbst!
Die Premiere der neuen Attraktion fand bei der Eröffnung des St. Pöltner Christkindlmarktes statt. Die gewählten Musikstücke? Weihnachtslieder! Ja, wir und viele St. Pöltner um uns standen mit Blick zum Rathausturm gerichtet und warteten gespannt auf das Glockenspiel! Himmlisch!
Der komplette Auszug M auf Video:
Absolutes Gehör für den Feinschliff
Für den letzten klanglichen Feinschliff zeichet sich der Italiener Glavio Zambotto verantwortlich. Mit seinem absoluten Gehör stimmte er die Glocken final perfekt aufeinander ab. Nur maximal drei von tausend Menschen haben diese Fähigkeit, die Höhe eines Tones ohne Hilfsmittel exakt zu bestimmen.
Und falls du wie wir glaubst, die Glocken bewegen sich deutlich hin und her wie das Weihnachtsglöckchen zu Hause. Nein, es ist ein Schlegel im Inneren der Glocke, der sie anschlägt.
Hinauf auf den Glockenturm geht es mitten im Rathaus. Der höchste Aufstieg befindet sich 21 Meter über dem Rathausplatz, auf selber Höhe mit der Rathausuhr. Enge, steile Treppen und zuletzt eine Leiter bringen uns in diese luftige Höhe. Was für ein beeindruckendes Erlebnis und was für ein Bereicherung für St. Pölten! Sagten wir schon, dass wir Glockenspiele lieben?
Geschichte der Glocken im Rathausturm St. Pölten
Glocken im Rathausturm von St. Pölten sind keine neue Erfindung, sondern das Wiederaufleben einer alten Tradition. Bereits um 1560 gab es einen sogenannten "Thurnermeister", einen Feuerwächter, der dreimal täglich Bläser- und Glockensignale abgab.
1669 gab es in St. Pölten einen massiven Brand, der viele Häuser zerstörte. Auch am Rathaus und insbesondere am Turm gab es starke Schäden. 1674 waren die Arbeiten des Wiederaufbaus beendet und der Wunsch nach einer Glocke im Turm festigte sich immer mehr in den Köpfen der Herren des Rates. Ein Glockengießer aus Krems erhielt den Auftrag, die neue Glocke herzustellen.
Am 23. Oktober 1671 war es dann so weit: die neue Glocke rief zur Sitzung im Rathaus!
Nun Jahrhunderte später sind sie wieder da und das in großer Zahl! Die Glocken im Turm vom Rathaus, die neue Attraktion in der Altstadt von St. Pölten. Am besten du nimmst in einem der vielen Lokale in nächster Nähe zum Rathaus Platz, bestellst dir einen feinen Kaffee und genießt deine Auszeit.
Und plötzlich hörst du es, das Glockenspiel mit seiner sanften Melodie! Nicht aufdringlich laut, sonder melodiös lieblich. Und am besten gehst du dann auf einen Stadtspaziergang in St. Pölten. Besuchst die Innenstadt, wanderst weiter zur Traisen und entspannst bei den Seen. Denn später, da kannst du eine andere Melodie hören und vielleicht schon mit einem feinen Abendessen deinen Tag ausklingen lassen!