Da geht man gemütlich auf die Rudolfshöhe und plötzlich lautes Schnattern. Der Blick zum Himmel. Nichts. Einmal im Kreis drehen. Nichts. Die Vogelstimmen werden aber immer lauter.
Plötzlich am Horizont eine schwarze Wolke, die sich bewegt. Ja, das sind sie! Aber was sind sie? Gänse oder Krähen? Die Formation kommt immer näher. Wunderbar anzuschauen, was für eine riesige Menge. Hunderte sind es, die vom Osten in Richtung Westen ziehen.
Ein Video gemacht und dem Sohnemann geschickt. Wolfram ist gerade am Ende seines Master-Studiums des Wildtierökologen und Vogelkenner. Kurze Zeit später, das Handy brummt. Die Antwort ist da: Der Flug der Kraniche! Und ein begeistertes "Wow, da wäre ich jetzt gerne dabei!"
Noch drei weitere Mal sehen wir eine Formation über uns hinweg ziehen, begleitet von ihren trompetenartigen Rufen. Zuerst als kleine Punkte am Horizont, dann immer näher und schöner erkennbar. Unverhofft kommt oft, geht mir durch den Sinn. Was für ein Naturerlebnis! Was für ein glücklicher Zufall, dass wir gerade jetzt hier unterwegs sind! Birdwatching vom Feinsten!
Fakten zum Kranich-Flug über Österreich
Erst seit einigen Jahren kann man dieses spektakuläre Naturschauspiel auch in Niederösterreich beobachten. Grund dafür ist eine geänderte Flugroute der baltisch-ungarischen Züge.
Start ist in den Brutplätzen in Finnland und Mittel- und Ostestland. Von dort aus ziehen sie über Österreich nach Nordafrika, Südfrankreich und Spanien. Ursprünglich verlief die Flugroute über Ost- und Süd-Ost-Ungarn. Dort tummelten sich die Kraniche in Tausenden auf den Rastplätzen, bevor es weiter nach Süden über den Balkan in den Nahen Osten ging. Österreich bekam dabei nur sehr selten Besuch von einigen wenigen Vögeln.
Aus bisher noch nicht geklärten Ursachen änderten die Schwärme aber ihre Flugstrecke. Sie fliegen nun sowohl nördlich als auch südlich der Alpen. So kann man sie besonders in Ost-Österreich beobachten. Selbst in den großen Städten wie Wien oder Salzburg ist ein Birdwatching möglich.
Der derzeit einzige Boden-Rastplatz der Kraniche liegt am Neusiedler See im Burgenland, wo sie ein oder zwei Tage Rast machen.
Wissenswertes zum Kranich
Der europäische Kranich heißt mit wissenschaftlichen Namen Grus grus.
Seine Größe liegt bei 95 bis 120 cm, das Gewicht erreicht 5100 bis 6100 Gramm. Er isst pflanzliche und tierische Nahrung mit einem hohen Anteil an Erntereste während seines Zuges in die Winterquartiere.
Sein Lebensraum und Brutplatz liegt in Feuchtgebieten wie Sümpfen, Mooren und nassen Wäldern. Landwirtschaftliche Flächen dienen der Überwinterung. Die Brutzeit ist von März bis Mai, er ist ein Bodenbrüter.
Der älteste Kranich in einem Zoo wurde über 42 Jahre alt, in der Natur zeigte ein Ringfund 17 Jahre und drei Monate. Sein Status gilt als nicht gefährdet. In Europa geht man von 113.000 bis 185.000 Vögel aus, weltweit rund 500.000.
Ein Rückblick in die 1970er-Jahre zeigt andere Zahlen. Damals gab es in Ostdeutschland 370 Paare und in Westdeutschland nur noch 17 (!).
Im Jahr 2018 brüteten erstmals seit 1885 wieder Kraniche in Österreich, besser gesagt im Waldviertel! Es war der erste bestätigte Nachweis einer Brut seit mehr als 130 Jahren. Der einstige Brutplatz in Oberösterreich im sogenannten Margolholz wurde damals nach Entsumpfungsarbeiten verlassen. Seither galt der Kranich als ausgestorben.
Die erste Wellle der Kranichzüge fliegt meist Ende Oktober, nun folgen die restlichen Vögel.
Hier findest du eine Abbildung der Flugroute und die Route: Kranich
Du interessierst dich für Vögel? Hier der Link zu Birdlife Österreich